{"id":6743,"date":"2019-10-30T11:43:47","date_gmt":"2019-10-30T10:43:47","guid":{"rendered":"https:\/\/overwinterencyprus.nl\/starp\/lignes-d%ca%bct\/"},"modified":"2023-11-09T14:25:52","modified_gmt":"2023-11-09T13:25:52","slug":"lignes-d%ca%bct","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/sophietaeuberarp.org\/lignes-d%ca%bct\/","title":{"rendered":"Lignes d\u02bcété"},"content":{"rendered":"
Zwischen 1939 und 1941 wird die freie Linie bestimmendes Kompositionselement in den Arbeiten von Sophie Taeuber-Arp. \u00dcber 100 Linienbilder \u2013 meist in Bleistift oder Farbstift auf Papier, selten auch in Wasserfarben, Farbkreiden oder \u00d6l ausgef\u00fchrt \u2013 bilden einen ungew\u00f6hnlichen Kontrast in dem von geometrischen Formen dominierten \u0152uvre der K\u00fcnstlerin.
\nAuf feinen Linien basierte Bleistift- oder Farbstiftzeichnungen finden sich vor allem im Kontext von Entwurfszeichnungen: Studien zu Marionetten, Reliefs und Skulpturen meist aus oder in Skizzenb\u00fcchern, Entw\u00fcrfe zu (innen)architektonischen Projekten, sp\u00e4ter auch Stadt- und Landschaftsansichten. Formal scheint die umfangreiche Bilderfolge der Linienkompositionen jedoch an die filigranen Konturzeichnungen stilisierter Muscheln, Schirme oder Bl\u00e4tter anzukn\u00fcpfen, die Sophie Taeuber-Arp zur Illustration von Hans Arps Gedichtband \u00bbMuscheln und Schirme\u00ab (1939) entwickelte. Die zuvor geschlossenen Umrisslinien \u00f6ffnen sich zu freien Linien und gehen in verknoteten Schleifengebilden oder miteinander verwobenen Geflechten auf. Gerade und geschwungene, schwarze oder farbige Linien schweben vor einem neutralen, bisweilen auch unruhigen Grund und werden in immer neuen Variationen kombiniert. Bereits 1922 regte Taeuber-Arp in ihrer kurzen Abhandlung zum Unterricht im Entwerfen dazu an, mit Linien zu experimentieren: \u00bbVersuchen Sie, was f\u00fcr Ausdr\u00fccke man mit verschiedenen Wellen- oder Zackenlinien erzielt. Versuchen Sie, diese Linien auf komplizierte Weise zu verschlingen.\u00ab (Sophie Taeuber-Arp, Bemerkungen \u00fcber den Unterricht im ornamentalen Entwerfen, in: Korrespondenzblatt des Schweiz. Vereins der Gewerbe- und Hauswirtschaftslehrerinnen, Z\u00fcrich, 14. Jg., Nr. 11\/12, S. 158).
\nIm vorliegenden Beispiel setzte die K\u00fcnstlerin vereinzelt gerade Linien in ein Geflecht von langen, geschwungenen Linien und f\u00fcllte einige der aus den \u00dcberschneidungen resultierenden Zwischenr\u00e4ume in kr\u00e4ftigen Farben aus. Die Farbfl\u00e4chen bilden spannungsreiche Akzente zu den flie\u00dfenden Bewegungen. Eine ihrer Zeichnungen beschrieb Taeuber-Arp selbst als \u00bbeine Mischung aus freier Zeichnung und Konstruktion\u00ab (vgl. Brief von Sophie Taeuber-Arp an Max Bill vom 20. September 1941, Sammlung Angela Thomas Schmid, Zumikon, zit. in Hauptman 2021, S. 268).
\nAuch wenn die einzelnen schwungvollen Linien und Formenkonturen auf den ersten Blick spontan entwickelt und freih\u00e4ndig gezeichnet wirken, sind sie doch pr\u00e4zise vordefiniert: Unter einigen Farbstiftzeichnungen etwa lassen sich feine Bleistiftvorzeichnungen ausmachen, die Einblick in den Arbeitsprozess der K\u00fcnstlerin geben. Einzelne Linienstr\u00e4nge zeichnete Sophie Taeuber-Arp vor und f\u00fcllte sie anschlie\u00dfend farbig aus. Druckspuren, nahezu identische oder spiegelverkehrte Arbeiten sowie erhaltene Vorzeichnungen auf Transparentpapier lassen zudem auf ein schablonenartiges Arbeiten und die Wiederverwendung von bereits entwickelten Elementen schlie\u00dfen. Die K\u00fcnstlerin spielte mit den zahllosen M\u00f6glichkeiten von Anordnungen und Erweiterungen der Linien.
\nIm Gegensatz zu vielen anderen Werken signierte und datierte Taeuber-Arp die meisten ihrer Linienkompositionen oder versah sie mit ihrem jeweiligen Entstehungsort in S\u00fcdfrankreich \u2013 N\u00e9rac, Veyrier oder Grasse: Im Juli 1940, wenige Tage vor der deutschen Besetzung von Paris, verlie\u00dfen Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp ihr Haus in Clamart. In S\u00fcdfrankreich fanden sie in verschiedenen \u00dcbergangsunterk\u00fcnften Zuflucht.
\nIn der Forschung werden die \u00bbunruhigen\u00ab Linienkompositionen und die daf\u00fcr verwendeten Materialen \u2013 Bleistift, Farbstift, Papier \u2013 immer wieder auf die Umst\u00e4nde der Kriegszeit zur\u00fcckgef\u00fchrt (vgl. Hauptman 2021, S. 266 und Wilker 2021, S. 301). H\u00e4ufig werden die rhythmisch-geschwungenen Arbeiten auch in Zusammenhang mit Taeuber-Arps Tanzerfahrung bei Rudolf von Laban (1978\u20131958) gebracht, da sie an Choreografiezeichnungen erinnern. Gelegentlich werden die Linien auch mit Wollf\u00e4den ihrer Textilarbeiten assoziiert.
\n[Anna Schrader]<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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