Unruhe und Wirrwarr oder doch Rhythmus und Ordnung? Wie verändert sich das künstlerische Schaffen Taeuber-Arps in Zeiten der Krise?
Diese Zeichnung der Künstlerin sticht in unserer Auswahl deutlich heraus. Sie entstand im Jahr 1941, während des Zweiten Weltkriegs, als Sophie Taeuber-Arp auf der Flucht vor den Nazis im französischen Grasse unterkam. In ihren Werken aus dieser Zeit begegnen uns häufiger schwingende Linien – ganz im Gegensatz zu den dominanten, geometrischen Formen der früheren Arbeiten. Diese Veränderung lässt sich auf eine Materialknappheit zurückführen: Taeuber-Arp nutzte ab 1939/1940 vor allem Blei- und Farbstifte (vgl. dazu auch Wilker 2021, S. 301). Viele ihrer früheren Werke entstanden vorwiegend in Gouache.
Dieses Werk weckt in mir die Frage nach den Gefühlen der Künstlerin in dieser sicher sehr schweren Zeit. »Géométrique et ondoyant, lignes« wirkt auf mich unruhig, fast schon hektisch. Ist hier vielleicht eine Gruppe brennender Häuser dargestellt?
Frühere Arbeiten Taeuber-Arps beeindrucken durch eine durchdachte Planung und Ordnung. Geometrische Formen werden im Œuvre wiederholt, winden sich wie ein »roter Faden« durch viele Werke der Künstlerin. Durch die sich wiederholende Bildelemente entstehen oftmals rhythmisierte Abfolgen. Dies lässt auf Taeuber-Arps Leidenschaft zum Tanz rückschließen.
Finden wir die, für Taeuber-Arp typischen, Elemente auch in dieser Zeichnung wieder? Die Dreiecke und Linien wiederholen sich, erscheinen wie auf das Blatt gestempelt. Wenn man sucht, entdeckt man auch hier einen Rhythmus! Die geschwungenen Linien erzeugen eine gewisse Dynamik – sie wirken wie die Bewegungen von tanzenden Füßen.
Der »rote Faden« ist hier Bild geworden und taucht gleich mehrmals in Linienform auf. Die Farbe Rot hat offenbar große Bedeutung für Sophie Taeuber-Arp und sie findet sich auch hier, in einem ihrer späteren Werke.
Olivia Cormann