Über das Werk
Im Œuvre von Sophie Taeuber-Arp bildet die Werkgruppe der Reliefs einen relativ unerforschten Bereich, der noch viele Fragen offenlässt.
Dem Werkverzeichnis von 1948 folgend, entstanden erste Reliefs der Künstlerin bereits Ende der 1920er-Jahre im Kontext der Umgestaltung des Straßburger Vergnügungskomplexes »Aubette« (vgl. Schmidt/Weber 1948, S. 131).
Mitte bis Ende der 1930er-Jahre widmete sie sich erneut dem Thema Relief und ergründete den plastischen Ausdruckswert ihrer zunächst auf Papier oder Leinwand entwickelten Kompositionen. Wie viele Arbeiten Taeuber-Arps stehen auch die Reliefs in enger Wechselbeziehung zu ihrem übrigen künstlerischen Schaffen: Sie übertrug frühere oder zeitgleich entstandene Bildideen – Zeichnungen, Gouachen und Gemälde – auf den Bildträger Holz und übersetzte sie so in die räumliche Dimension des Reliefs.
In den 1930er-Jahren wird die Form des Kreises ein zentrales gestalterisches Element in den Arbeiten Taeuber-Arps. Zwischen 1936 und 1938 entstanden die sogenannten »Compositions dans un cercle«, deren Zentrum ein einziger großer Kreis auf einfarbigem Hintergrund bildet. Das Innere des Kreises unterteilte die Künstlerin in farbige Segmente, organische Formen oder Voluten. Neben diesen Arbeiten auf Papier entwickelte Taeuber-Arp zeitgleich Reliefs auf kreisrunder Grundfläche. In einem der Skizzenbücher der Künstlerin finden sich präzise Konstruktionszeichnungen, die sich zum Teil den finalen, dreidimensionalen Ausführungen zuordnen lassen und die Formfindung anschaulich vor Augen führen (»Carnet d’esquisses II«, 1936–38, Fondation Arp, Clamart).
Taeuber-Arps Rundreliefs erscheinen wie plastische Gegenstücke zu den Kreisbildern, denn sie folgen dem gleichen Unterteilungsprinzip: Die weißen oder teils farbig bemalten Reliefs sind aus drei bis vier übereinandergelegten Holzplatten von gradkantigen oder geschwungenen Teilstücken konstruiert. Durch die Überlagerung der unregelmäßig gestalteten Holzelemente wird die Binnenform mehrschichtig strukturiert, wodurch sich Hohl- oder Füllräume ergeben, die – je nach Blickwinkel – unterschiedliche Licht- und Schattenverläufe erzeugen.
Ungereimtheiten gibt es bezüglich möglicher, nach dem Tod der Künstlerin ausgeführter Bearbeitungen. Annie Wilker etwa schließt nicht aus, dass einige Reliefs posthum übermalt wurden, da die nachträglichen Überarbeitungen nicht dem minutiösen Arbeitsstil von Sophie Taeuber-Arp entsprechen (vgl. Wilker 2021, S. 301–302).
Auch die Anzahl der heute bekannten Reliefs wirft Fragen auf: Insgesamt sind fünf Rundreliefs im Werkverzeichnis von 1948 gelistet (vgl. Schmidt/Weber 1948, S. 140–141), tatsächlich existieren heute mindestens acht Arbeiten dieser Art, die der Künstlerin zugeschrieben werden.
Das vorliegende Rundrelief mit dem Titel »Relief en bois« befindet sich in der Sammlung des Aargauer Kunsthaus, Aarau und weist eine Besonderheit auf: Es existieren noch zwei weitere, nahezu identische Fassungen. Ein Exemplar befindet sich heute in der Stiftung Arp e. V., Berlin, ein weiteres im Kunsthaus Zürich. Alle drei genannten Arbeiten sind monochrom weiß bemalt, die Kanten der Binnenformen des vorliegenden Reliefs wurden zusätzlich hellgelb akzentuiert. Im Werkverzeichnis von 1948 ist nur eine einzige Fassung erwähnt (unter dem Titel »Coquilles et fleurs«. Relief rond en quatre hauteurs«, vgl. Schmidt/Weber 1948, S. 140). Um welche es sich dabei handelt, ist nicht eindeutig zu klären.
Warum das »Relief en bois« heute in dreifacher Ausführung existiert und ob alle Exemplare zu Lebzeiten der Künstlerin ausgeführt wurden, bleibt unklar.
Zu Lebzeiten der Künstlerin jedenfalls, wurde nach derzeitigem Kenntnisstand nur eines dieser drei baugleichen Reliefs mit Sicherheit ausgestellt. Dabei handelt es sich um das Exemplar aus der Sammlung der Stiftung Arp e. V., Berlin. Ein Aufkleber auf dessen Rückseite von der Ausstellung »Tentoostelling abstracte kunst«, die 1938 im Stedelijk Museum, Amsterdam stattfand, ermöglicht diese Zuordnung. [Anna Schrader]
Ausstellungen
Herausragend! Das Relief von Rodin bis Picasso - 2023 - Städel Museum, Frankfurt am Main / Hamburger Kunsthalle, Hamburg
Sophie Taeuber-Arp. Heute ist Morgen - 2014 - Aargauer Kunsthaus, Aarau / Kunsthalle Bielefeld
Bewegung und Gleichgewicht. Sophie Taeuber-Arp 1889–1943 - 2009 - Kirchner Museum Davos / Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Remagen
Un siècle de défis. L’art du XXe siècle dans les collection du Musée des beaux-arts d’Aarau - 2001 - Musée Rath, Genf
Berge, Blicke, Belvedere. Kunst in der Schweiz von der Aufklärung bis zur Moderne aus dem Aargauer Kunsthaus Aarau - 1997 - Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main
Karo Dame. Konstruktive, konkrete und radikale Kunst von Frauen von 1914 bis heute - 1995 - Aargauer Kunsthaus, Aarau
Sophie Taeuber-Arp - 1983 - Quadrat Bottrop, Moderne Galerie
Sophie Taeuber-Arp - 1983 - Museo Comunale Ascona
Sophie Taeuber-Arp - 1981 - The Museum of Modern Art, New York / Museum of Contemporary Art, Chicago / Museum of Fine Arts, Houston / Musée d'art contemporain, Montreal
Sophie Taeuber-Arp - 1977 - Musée d’Art moderne, Straßburg
Sophie Taeuber-Arp - 1977 - Kunstmuseum Winterthur
Literatur
Ausst. Kat. Aarau 2014, Kat. Nr. 152, Abb. S. 120
Koella 2010, S. 55–56, Abb. S. 54
Ausst. Kat. Davos 2009, Abb. S. 117
Ausst. Kat. Aarau 1995, Abb. S. 172
Lanchner 1981, S. 17
Ausst. Kat. New York 1981, S. 53, Tafel 36, Abb. S. 44
Ausst. Kat. Strasbourg 1977, Kat. Nr. 153, S. 46, Abb. S. 47
Ausst. Kat. Winterthur 1977, Kat. Nr. 137, o. S.
Schmidt/Weber 1948, S. 141, Abb. S. 94 (dieses Exemplar?)
Allianz 1940, Abb. S. 18 als »Relief en bois« (dieses Exemplar?)
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